Samstag, 20. Juli 2019

20.07.2019: FK Baník Souš - FC Viktoria Mariánské Lázně

  • Testspiel (Tschechische Republik)
  • Stadion FK Chmel Blšany (Blšany)
  • 42 Zuschauer
  • 1:0 (0:0)
Eine Reise zum Stadion des FK Chmel Blšany ist auch immer eine interessante Reise in die Vergangenheit. Denn einerseits wird die Geschichte des Clubs gerne romantisiert - der kleine Dorfverein, auf einmal dabei im Konzert der vermeintlich Großen und dann hält er auch noch wacker mit. Andererseits sollte man aber auch nicht vergessen, dass die Geschichte des Vereins nur diese Entwicklung nehmen konnte, weil ein Mann große Pläne hatte und den Erfolg mit Hilfe seiner finanziellen Möglichkeiten erzwang. František Chvalovský heißt der Herr, der in seiner Jugend und späteren bescheidenen sportlichen Karriere meist beim Vorgänger Sokol Blšany zwischen den Pfosten stand. Damals dümpelte der Verein auf Okres- bzw. unterer Kraj-Ebene hin und her, Ende der 80er Jahre schaffte man aber etwas überraschend den Aufstieg in die 4.Liga. Chvalovský übernahm 1990 das Präsidentenamt des Vereins und wurde zudem Mäzen im Dorf mit nicht einmal 1.000 Einwohnern. Zeitgleich wurde er auch Vorsitzender des neugegründeten Tschechisch-Mährischen Fußballverbandes und Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee. Durch seine finanzielle Unterstützung stieg der Verein schon im ersten Jahr seiner Amtszeit in die dritte Liga auf, 1993 folgte der Schritt in die Druha Liga und 1998 spielte Chmel (=Hopfen) Blšany auf einmal im Oberhaus - eine Sensation. Schon im ersten Jahr erreichten die Blau-Gelben mit Rang 6 das beste Ergebnis ihrer Historie, danach war das Abstiegsgespenst ein ungern gesehener Dauergast im Stadion. Der Präsident selbst stellte seine Ämter und Zahlungen 2001 dann auch abrupt ein, wenn auch eher unfreiwillig. Er wurde im Februar 2001 in Prag verhaftet, da gegen ihn wegen Betruges ermittelt wurde. Rund 1,5 Millarden Kronen - nach aktuellem Kurs rund 60 Millionen Euro - soll er in seiner Zeit als Verwaltungsrat-Vorsitzender der Tschechisch-Mährischen Argrargesellschaft (nebenbei: fällt noch jemandem die dezente Anhäufung von Ämtern auf?) abgezweigt haben, die genauen Geldflüsse wurden jedoch nie wirklich nachvollzogen. Einiges wird sicher auch im FK Chmel Blšany gelandet sein, der nun aber auf eine dicke Einnahmequelle verzichten musste - und wie so oft in diesen Fällen kaum darauf vorbereitet war. Chvalovský selbst wurde später zu 12 Jahren Haft verurteilt, später aber von Präsident Vaclav Klaus amnestiert.

Zwar kickte man 2000 sogar noch im UI-Cup auf internationaler Bühne (und traf dabei auf europäische Schwergewichte wie die Weißrussen Dnepr Mogiljow,PS Kalamata aus Griechenland, Pobeda Prilep oder Brescia Calcio), doch der Abstand zum Rest der Liga wurde größer, während der zur Abstiegszone Jahr für Jahr schmolz. Bis ins Jahr 2006 konnte man das Unvermeidliche noch vermeiden, dann war aber Schluss mit lustig und der Dorfverein stieg in die 2.Liga ab. Nur zwei Jahre später folgte die Lizenzverweigerung und der damit verbundene Zwangsabstieg in Liga 3, die aber auch nur eine einjährige Durchgangsstation nach unten war. Auch die vierte Liga war für die "Hopfenbauer" nun eine Nummer zu groß, sodass man 2009 nach einem in diesem Land leider nicht beispiellosen Absturz auf einmal nur noch fünftklassig war. Zwar gelang mit dem Aufstieg in die Divize 2012 noch einmal ein kurzes Lebenszeichen, der sofortige Wiederabstieg war dann aber das Eröffnungskapitel für die letzten Atemzüge des Vereins. Zuletzt bot man in der Saison 2015/2016 eine Herrenmannschaft im Spielbetrieb auf, die aber kurz vor Saisonende komplett abgemeldet wurde - kurioserweise beendete man nicht einmal das vorerst letzte Spiel der Vereinsgeschichte, denn dieses wurde in der Halbzeit abgebrochen. Seitdem gibt es hier keine Mannschaft mehr, die in diesem Stadion spielt. Mir eigentlich an sich egal, da ich hier tatsächlich sogar noch eine Partie in Liga 1 gesehen habe. Gegner müsste damals Dynamo České Budějovice gewesen sein und die Partie suchte man sich damals noch stilecht am Teletext aus. Aber natürlich war es auch mir ein Vergnügen, an diesem Tag wieder hier gewesen zu sein, denn tatsächlich ist es eben auch eine Zeitreise in eine Zeit, in denen Erstligastadien noch nicht komplett durchgestylte Arenen waren, die eigentlich alle gleich aussehen. Aus heutigen Gesichtspunkten unvorstellbar, dass hier einmal Erstligafußball geboten wurde, ja sogar wie erwähnt Europapokal. Klar gibt es in diesem Land schönere Stadien und auch größere, aber die kleine Bude hier hat auch viel Charme. Man sieht dem Stadion an, dass es schon bessere Zeiten gesehen hat, die Bretter der Tribüne knarzen und auch die Dachstreben rosten fröhlich vor sich hin. Ein Traum. 

Wer hier noch nicht war, sollte aber nicht verzagen, denn in Blšany zieht man zumindest noch heute einen finanziellen Nutzen aus den notwendigen strukturellen Entwicklungen der Profizeit. Mehrere Nebenplätze, ein kleines Sporthotel und damit verbunden natürlich diverse Trainingsmöglichkeiten machen das Nest auch heute noch zu einem beliebten Ziel einiger Mannschaften für ein Trainingslager. So war unter auch Gerd Schädlich in seiner Zeit als Schacht-Trainer Stammgast hier - eine Tradition, die er leider nicht mit zum CFC gebracht hat. Und so finden auch in diesem Sommer wieder einige Testspiele hier statt, ab und zu sogar zeitgleich zwei Kicks. Ein kleines Ärgernis, denn dass auf dem gut ausgebauten Nebenplatz auch gespielt wird, checkte ich erst zur 55. Minute der entsprechenden Partie. Was soll's, komm ich halt nochmal her. Für die vierköpfige Besatzung aus Karl-Marx-Stadt war also dann doch das Testspiel der beiden in verschiedenen Staffeln antretenden Viertligisten das notwendige Mittel zum Zweck. Dass beide Teams noch nicht lange in der Vorbereitung stecken sah man ihnen leider an, denn wirklicher Spielfluss war kaum zu erkennen. Keine Überraschung also, dass das einzige Tor der Partie durch ein Eigentor fiel. 










































  

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