Freitag, 19. Juli 2019

17.07.2019: FC Vorwärts Röslau - Kickers Selb

  • Landesliga Bayern, Staffel Nordost (6.Liga Deutschland)
  • Sportpark "Auf der Hut" (Röslau)
  • 1.038 Zuschauer
  • 1:2 (0:2)
Ausnahmezustand in Röslau. Eine Stimme ertönt aus den knarzenden Lautsprechern.

"Sehr geehrte Zuschauer, eine Bitte in eigener Sache: Wenn Sie sich Getränke-Nachschub holen sollten... also, wir haben ja hier drei Getränkestände... aber wenn Sie neue Getränke holen, dann seine Sie bitte so nett und werfen ihre alten Plastebecher nicht weg, sondern lassen sie neu auffüllen. Uns gehen die Becher aus!"

High-Noon im Fichtelgebirgs-Derby zwischen dem FC Vorwärts Röslau gegen die Kickers aus Selb. Das Volk strömte die Wege und Gassen entlang zum Sportpark "Auf der Hut", gierig darauf, unterhalten zu werden. Dicht gedrängt saßen und standen sie am Spielfeldrand, neugierig auf das kommende sportliche Schauspiel. Na ja, klappte halt nur nicht ganz so. Denn spannend war das Derby zwischen den Röslauern und den Selber Kickers nicht wirklich. "Langatmig" wäre wohl die passendste Bezeichnung für das Spiel, dass die Gäste am Ende etwas glücklich mit 2:1 für sich entscheiden konnten. Glücklich alleine deshalb, weil die Gastgeber in der ersten Hälfte teils haarsträubend mit ihren Chancen umgingen, den Ball aber eben erst kurz vor Schluss im Tor unterbrachten. Ergebniskosmetik und die kurze Illusion von Spannung - mehr war der Treffer nicht. Doch zumindest kampfbetont und stellenweise sehr giftig war die Partie. Elf gelbe Karten sowie einmal die Ampelkarte sind ein Indiz dafür. Aber immerhin: die offiziell 1.038 Zuschauer (inoffiziell sicher ein paar mehr, da einige Helfer und Jugendspieler nichts zahlen mussten) sind für die Landesliga eine echte Hausnummer. Als Misanthrop ist man darüber natürlich weniger glücklich, denn der Sportpark "Auf der Hut" bietet einmal ganz viel Nichts mit etwas Nichts am Rande, die Möglichkeiten, den anderen 1.036 Zuschauern aus dem Weg zu gehen, sind also begrenzt. Immerhin reicht der Platz aber dafür, um natürlich möglichst viel Abstand zwischen der Nase, die hier öffentlich seine Liebe zu einem unbedeutenden Verein aus dem Erzgebirge preisgibt, und sich selbst zu bringen. Ekelhaft.

Zumindest diese Bezeichnung dürfte auch dem ein oder anderen einfallen, wenn es um die Kickers Selb geht. Die wurden erst 2015 gegründet und entstanden aus den verbliebenen Resten des ehemaligen Selber Großvereins FC, der wiederum selbst nur ein Produkt der Fusion von TSV 06, Südring und FK 09 war. Der FCS stand 2014 vor dem endgültigen Aus, hoch verschuldet und in der A-Klasse kickend. Doch dann übernahm ein gewisser Jakob Schleicher - der mit offenem, leicht angegrauten Haupthaar, dem das Brusthaar kaum verdeckendem rosa Hemd sowie fetter Zigarre und Sonnenbrille das Idealbild eines griechischen Reedereibesitzers darstellt - das Zepter. Schleicher selbst ist durchaus erfolgreicher Geschäftsmann aus der Region, der auch schon seine Finger beim Eishockey in Mitterteich im Spiel hatte und dort als Funktionär und Mäzen auftrat. Das "Engagement" endete allerdings nicht gerade geräuschlos, rund 50.000 € Kosten musste der EHC Stiftland am Ende selber tragen, "entstanden durch offensichtlich nicht eingehaltene oder nicht einhaltbare Zusagen", wie der nachfolgende Vorstand erklärte. Der Spielbetrieb des FC Selb wurde nach der Ankunft Schleichers ausgelagert, er selbst übernahm den Trainerposten bei den neugegründeten Kickers (die später dann den Rest des FC ebenfalls schluckten) und ist natürlich auch einer von zwei Hauptsponsoren. Zumindest sportlich geht der Plan bislang auf: vier Aufstiege in Folge sowie das erste Mal Landesliga-Luft in Selb seit 40 Jahren (!) sind die nackten Tatsachen. Dass man trotz aller Beteuerungen Schleichers, man wolle sich in der Liga erst einmal etablieren, durchaus größere Ziele verfolgt, beweisen die Neuzugänge dieser Saison. Mit Andreas Knoll, Kevin Winter (beide Hof) und Danny Wild (Auerbach) - der beim 6:0-Sieg am ersten Spieltag gegen Großschwarzenlohe vier Treffer erzielte und heute die Saisontore fünf und sechs folgen ließ - sind schließlich drei Spieler zu den Kickers gewechselt, die zuletzt Regionalliga bzw. Oberliga gespielt haben. Etwas Würze ins Derby bringt zudem der Wechsel von Waldemar Schneider von Röslau nach Selb, zumal Schneider selbst wohl dem FC Vorwärts schon sein Wort zur Verlängerung gab. Knoll und Wild bringen auch noch einen weiteren Bekannten mit nach Röslau, nämlich Heiko Unger. Der ehemalige Aufsichtsrat, Geschäftsführer und Sicherheitschef des VFC Plauen (alles zur gleichen Zeit) spielte bei der Insolvenz 2014 eine unrühmliche Rolle und wurde später seines Amtes enthoben, dazu kam eine Verurteilung wegen Untreue. Denn Ungers Firma (die natürlich auch im Vogtlandstadion zum Einsatz kam) war dafür verantwortlich, die Parkautomaten der Stadtgalerie zu leeren und auf das Konto des Parkhausbetreibers einzuzahlen - dummerweise fehlten Ende 2014 innerhalb eines Monats rund 107.000 € und die Story flog auf. Die Firma gibt's wohl weiterhin, dazu ist er noch als Spielerberater tätig. Zwei seiner Schützlinge: Andreas Knoll und Danny Wild. Zumindest optisch scheint sich Unger aber seinem "Kollegen" Schleicher anzupassen: dicke Zigarre und eine teure Sonnenbrille sollen wohl Stil vorgaukeln. Wer es braucht. Auf jeden Fall eine recht kuriose Konstruktion, die man da in Selb aufgebaut hat. Und da die handelnden Personen in den vergangenen Jahren eher weniger durch Beständigkeit als vielmehr durch kleinere Skandale aufgefallen sind, darf man gespannt sein, welche Lebensdauer das Projekt "Kickers Selb" haben wird. 

Der ein oder andere "Nein zu Kickers Selb"-Ruf der kleinen Schar der "Supporters Riasla" - die wohl zum großen Teil aus Jugendspielern bestehen - zeigt dann aber eben auch, dass die ganze Chose durchaus kritisch gesehen wird. Klar, der große Teil wird anerkennend nicken und dem Projekt alles Gute wünschen, so ist das eben. Aber dass da zumindest etwas Gegenwind kommt, ist schon ganz gut so und schärft zumindest ein wenig das Profil der kleinen Gruppe. Genau daran fehlt es ansonsten nämlich leider komplett. Dass man mit vielleicht 10 Leuten nicht ganz so viel auf die Beine stellen kann ist klar, aber das blinde Kopieren der gängigsten Standard-Melodien sollte man in meinen Augen schon vermeiden. Aber wenigstens bringen die Jungs und Mädels (Altersschnitt dürfte unter 18 Jahren liegen) ein bisschen Farbe ins ansonsten triste Bild hier in Röslau - besser als Nichts. Und davon haben sie hier in Röslau bekanntlich ganz viel... 


































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