- Landesliga Bayern, Staffel Nordost (6.Liga Deutschland)
- Sportpark "Auf der Hut" (Röslau)
- 1.038 Zuschauer
- 1:2 (0:2)
Ausnahmezustand
in Röslau. Eine Stimme ertönt aus den knarzenden Lautsprechern.
"Sehr geehrte Zuschauer, eine Bitte in eigener Sache: Wenn Sie sich Getränke-Nachschub holen sollten... also, wir haben ja hier drei Getränkestände... aber wenn Sie neue Getränke holen, dann seine Sie bitte so nett und werfen ihre alten Plastebecher nicht weg, sondern lassen sie neu auffüllen. Uns gehen die Becher aus!"
High-Noon im Fichtelgebirgs-Derby zwischen dem FC Vorwärts Röslau gegen die Kickers aus Selb. Das Volk strömte die Wege und Gassen entlang zum Sportpark "Auf der Hut", gierig darauf, unterhalten zu werden. Dicht gedrängt saßen und standen sie am Spielfeldrand, neugierig auf das kommende sportliche Schauspiel. Na ja, klappte halt nur nicht ganz so. Denn spannend war das Derby zwischen den Röslauern und den Selber Kickers nicht wirklich. "Langatmig" wäre wohl die passendste Bezeichnung für das Spiel, dass die Gäste am Ende etwas glücklich mit 2:1 für sich entscheiden konnten. Glücklich alleine deshalb, weil die Gastgeber in der ersten Hälfte teils haarsträubend mit ihren Chancen umgingen, den Ball aber eben erst kurz vor Schluss im Tor unterbrachten. Ergebniskosmetik und die kurze Illusion von Spannung - mehr war der Treffer nicht. Doch zumindest kampfbetont und stellenweise sehr giftig war die Partie. Elf gelbe Karten sowie einmal die Ampelkarte sind ein Indiz dafür. Aber immerhin: die offiziell 1.038 Zuschauer (inoffiziell sicher ein paar mehr, da einige Helfer und Jugendspieler nichts zahlen mussten) sind für die Landesliga eine echte Hausnummer. Als Misanthrop ist man darüber natürlich weniger glücklich, denn der Sportpark "Auf der Hut" bietet einmal ganz viel Nichts mit etwas Nichts am Rande, die Möglichkeiten, den anderen 1.036 Zuschauern aus dem Weg zu gehen, sind also begrenzt. Immerhin reicht der Platz aber dafür, um natürlich möglichst viel Abstand zwischen der Nase, die hier öffentlich seine Liebe zu einem unbedeutenden Verein aus dem Erzgebirge preisgibt, und sich selbst zu bringen. Ekelhaft.
Zumindest
diese Bezeichnung dürfte auch dem ein oder anderen einfallen, wenn
es um die Kickers Selb geht. Die wurden erst 2015 gegründet und
entstanden aus den verbliebenen Resten des ehemaligen Selber
Großvereins FC, der wiederum selbst nur ein Produkt der Fusion von
TSV 06, Südring und FK 09 war. Der FCS stand 2014 vor dem
endgültigen Aus, hoch verschuldet und in der A-Klasse kickend. Doch
dann übernahm ein gewisser Jakob Schleicher - der mit offenem,
leicht angegrauten Haupthaar, dem das Brusthaar kaum verdeckendem
rosa Hemd sowie fetter Zigarre und Sonnenbrille das Idealbild eines
griechischen Reedereibesitzers darstellt - das Zepter. Schleicher
selbst ist durchaus erfolgreicher Geschäftsmann aus der Region, der
auch schon seine Finger beim Eishockey in Mitterteich im Spiel hatte
und dort als Funktionär und Mäzen auftrat. Das "Engagement"
endete allerdings nicht gerade geräuschlos, rund 50.000 € Kosten
musste der EHC Stiftland am Ende selber tragen, "entstanden
durch offensichtlich nicht eingehaltene oder nicht einhaltbare
Zusagen", wie der nachfolgende Vorstand erklärte. Der
Spielbetrieb des FC Selb wurde nach der Ankunft Schleichers
ausgelagert, er selbst übernahm den Trainerposten bei den
neugegründeten Kickers (die später dann den Rest des FC ebenfalls
schluckten) und ist natürlich auch einer von zwei Hauptsponsoren.
Zumindest sportlich geht der Plan bislang auf: vier Aufstiege in
Folge sowie das erste Mal Landesliga-Luft in Selb seit 40 Jahren (!)
sind die nackten Tatsachen. Dass man trotz aller Beteuerungen
Schleichers, man wolle sich in der Liga erst einmal etablieren,
durchaus größere Ziele verfolgt, beweisen die Neuzugänge dieser
Saison. Mit Andreas Knoll, Kevin Winter (beide Hof) und Danny Wild
(Auerbach) - der beim 6:0-Sieg am ersten Spieltag gegen
Großschwarzenlohe vier Treffer erzielte und heute die Saisontore
fünf und sechs folgen ließ - sind schließlich drei Spieler zu den
Kickers gewechselt, die zuletzt Regionalliga bzw. Oberliga gespielt
haben. Etwas Würze ins Derby bringt zudem der Wechsel von Waldemar
Schneider von Röslau nach Selb, zumal Schneider selbst wohl dem FC
Vorwärts schon sein Wort zur Verlängerung gab. Knoll und Wild
bringen auch noch einen weiteren Bekannten mit nach Röslau, nämlich
Heiko Unger. Der ehemalige Aufsichtsrat, Geschäftsführer und
Sicherheitschef des VFC Plauen (alles zur gleichen Zeit) spielte bei
der Insolvenz 2014 eine unrühmliche Rolle und wurde später seines
Amtes enthoben, dazu kam eine Verurteilung wegen Untreue. Denn Ungers
Firma (die natürlich auch im Vogtlandstadion zum Einsatz kam) war
dafür verantwortlich, die Parkautomaten der Stadtgalerie zu leeren
und auf das Konto des Parkhausbetreibers einzuzahlen - dummerweise
fehlten Ende 2014 innerhalb eines Monats rund 107.000 € und die
Story flog auf. Die Firma gibt's wohl weiterhin, dazu ist er noch als
Spielerberater tätig. Zwei seiner Schützlinge: Andreas Knoll und
Danny Wild. Zumindest optisch scheint sich Unger aber seinem
"Kollegen" Schleicher anzupassen: dicke Zigarre und eine
teure Sonnenbrille sollen wohl Stil vorgaukeln. Wer es braucht. Auf
jeden Fall eine recht kuriose Konstruktion, die man da in Selb
aufgebaut hat. Und da die handelnden Personen in den vergangenen
Jahren eher weniger durch Beständigkeit als vielmehr durch kleinere
Skandale aufgefallen sind, darf man gespannt sein, welche Lebensdauer
das Projekt "Kickers Selb" haben wird.
Der
ein oder andere "Nein zu Kickers Selb"-Ruf der kleinen
Schar der "Supporters Riasla" - die wohl zum großen Teil
aus Jugendspielern bestehen - zeigt dann aber eben auch, dass die
ganze Chose durchaus kritisch gesehen wird. Klar, der große Teil
wird anerkennend nicken und dem Projekt alles Gute wünschen, so ist
das eben. Aber dass da zumindest etwas Gegenwind kommt, ist schon
ganz gut so und schärft zumindest ein wenig das Profil der kleinen
Gruppe. Genau daran fehlt es ansonsten nämlich leider komplett. Dass
man mit vielleicht 10 Leuten nicht ganz so viel auf die Beine stellen
kann ist klar, aber das blinde Kopieren der gängigsten
Standard-Melodien sollte man in meinen Augen schon vermeiden. Aber
wenigstens bringen die Jungs und Mädels (Altersschnitt dürfte unter
18 Jahren liegen) ein bisschen Farbe ins ansonsten triste Bild hier
in Röslau - besser als Nichts. Und davon haben sie hier in Röslau
bekanntlich ganz viel...
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