Mittwoch, 3. Oktober 2018

03.10.2018: FSV Optik Rathenow e.V. - Chemnitzer FC e.V.

  • NOFV-Regionalliga (4.Liga)
  • Stadion Vogelsang (Rathenow)
  • 943 Zuschauer
  • 0:4 (0:0)
  • Fotos: Fokus Fischerwiese

Schwein gehabt. Die Regionalliga Nordost ist ja ein relativ Sonntags-geprägter Spieltag, heißt also der Großteil der Partien findet am letzten Tag der Woche statt. Für den Großteil sicher praktisch, für die, die sonntags meistens arbeiten müssen ist es natürlich genau das Gegenteil. Da ich zu dieser seltenen Spezies gehöre, wurde schon wenige Sekunden nach der Veröffentlichung der Spielplan gecheckt – wann ist das Spiel in Rathenow angesetzt? Schwein gehabt – ein Mittwochstermin, zum Feiertag. Perfekt für mich, schließlich ist das Stadion Vogelsang das letzte notwendige Puzzleteil im Gesamtbild „Komplettierung Regionalliga Nordost“ – was aber auch leider zeigt, dass solche Dinge mittlerweile im Vordergrund stehen und eben nicht mehr die Vorfreude auf ein charmantes Auswärtsspiel mit deinen Freunden. Das Angebot des Fanprojektes, den Weg in die Optik-Stadt zusammen anzutreten, wurde daher dankend angenommen und so tuckerte man gemeinsam in Richtung Havelland. Ein Genuss dabei natürlich die letzten rund 50 Kilometer Bundes- bzw. Landstraße, die einem erneut ins Gedächtnis riefen, wie schön und doch trist Brandenburg eigentlich ist. Und Rathenow passt da als Stadt auch perfekt rein, denn die 1157 erstmals erwähnte 25.000-Seelen-Stadt hat zwar durchaus ihre reizvollen und gemütlichen Ecken, allerdings umgibt sie eben auch ein Hauch Tristesse, die allgegenwärtig ihre Bahnen durch die Straßen und Gassen Rathenows zieht. Vielleicht liegt es auch einfach an der Jahreszeit, die zumindest rund um das auserwählte Ziel des Tages für wenig Begeisterung sorgte. Die Lage abseits am Wald, in Spuckweite zum Wolzensee mag im Sommer ihren Reiz besitzen – im Herbst trauert man der verpassten Chance ein wenig hinterher, dass man hier vielleicht zwei Monate zu spät aufläuft.

Nahtlos der auf sandigem Boden thronende Umgebung passt sich dementsprechend auch das Stadion Vogelsang ein – eine Anlage zwischen provinziellem Charme und seelenlosem Pragmatismus, resultierend aus der Kompletterneuerung der Anlage von 2006 bis 2017, als dank Förderung der Bundesrepublik und der EU auch das letzte bisschen alte Bausubstanz dem Erdboden gleichgemacht wurde. Manch einer mag an der Stelle stöhnen, aber die Umstände waren für die Fußballer aus Rathenow alles andere als freundlich. Und die ehemals auf der Ende des 19. Jahrhunderts als Trabrennbahn eröffneten Anlage thronende Tribüne (siehe Bild) ist nur deswegen nicht mehr Teil des Stadions, weil sich einige Unioner 1994 nicht benehmen konnten und einen solchen Schaden an der aus Holz bestehenden Konstruktion verursachten, dass das örtliche Bauamt diese kurzerhand sperrte und zeitnah abreißen ließ. Doof gelaufen und Herzliches Danke in die Hauptstadt. Stattdessen gibt’s hier zwei kleine Mini-Tribünen sowie einige mittig überdachte Stufen auf der Geraden zu sehen, die zugleich den Gästeblock darstellen. Klein und irgendwie provinziell. Der pünktlich zum Anpfiff einsetzende Nieselregen verstärkt die Tristesse des Stadions, dessen Name zugleich den einzigen nennenswerten Hinweis auf akustische Aktivitäten darstellt. Der vielleicht aus 350 Nasen bestehende Gästeblock ist sich weiterhin uneins, wie er mit der ganzen Situation umgehen soll. Die Ultra-Szene boykottiert weiterhin, muss selbst erst einmal wissen, wo sie hinwill. Und wie es eben auch im restlichen Land meistens so ist: ohne die üblichen Protagonisten läuft auch beim Rest nichts. Eine verfahrene Situation, für die auch der heute als Stargast anwesende nordkoreanische Popstar Kim Jong-un keine Lösung parat hat. Eine merkwürdige Stille liegt also über dem Stadion, da auch die Heimseite bis auf wenige Banner keinerlei Ansätze einer aktiven Fanszene zeigt. Jeder halbwegs lautstarke Zwischenruf von und neben dem Feld hallt über den Rasen, deutlich hörbar für jeden der 943 Anwesenden. Zumindest im ersten Abschnitt gab es für die himmelblauen Anhänger auch wenig zu jubeln, denn der Tabellenletzte machte seine Sache hier richtig gut, hielt mit und erspielte sich das ein oder andere Mal selbst die Möglichkeit, in Führung zu gehen. Manch einer unkte gar schon von der Rückkehr des Clubs, der am Boden liegenden Gegnern gerne mal wieder aufhilft. Doch in der zweiten Hälfte lief dann alles wie geplant und am Ende stand ein etwas zu hoher 4:0-Auswärtssieg auf dem Notizzettel. Kacke nur, dass auch dieses Ergebnis erneut kaum Regungen in einem weckte und auch der Sektor Hoste nahm die drei Punkte ohne großartigere Jubelarien an. Szenenapplaus erhielt dafür aber der Finne Kimmo Hovi, der es tatsächlich schaffte, ganze 15 Sekunden nach seiner Einwechslung zum 3:0 zu treffen und nebenbei Potenzial für die Rolle des sympathischen Publikums-Lieblings offenbarte. Klingt zwar ziemlich nach Bravo statt Haderlump, aber dem Jungen habe ich es gegönnt. Blieb dann aber auch die einzige positive Gefühlsregung des Tages im Bezug auf die himmelblauen Farben… Immerhin sorgte die Heimreise für viele Lacher, über deren genauen Inhalt ich aber an der Stelle galant schweige. Wir waren schließlich mit dem Fanprojekt unterwegs, auch wenn die Themen und Witze mit sozialpädagogischen Inhalten wenig zu tun hatten… 






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