- 1. česká fotbalová liga (1.Liga Tschechische Republik)
- Stadion Ďolíček (Praha)
- 4.377 Zuschauer
- 0:1 (0:1)
Auch heute strömen wieder die Massen ins altehrwürdige Ďolíček,
zu dem ich eine besondere Beziehung führe, schließlich war das 1932 mit einem
Derby gegen Slavia eröffnete Stadion der erste Ground in Tschechien. 2003 gab
es damals ein grausiges 0:0 gegen Marila Příbram, später am Abend folgte ein
souveräner 2:0-Sieg Spartas gegen Jablonec. Verändert hat sich hier seitdem
nicht wirklich was, sieht man vielleicht von der Installation neuer Sitzschalen
auf Tribüne, Gegengerade und am Rande der Kurve ab. Ansonsten ist hier immer
noch der Charme alter Tage zu spüren, Fußball wie er sein sollte eben, mit
ordentlich Gammel, abbröckelndem Putz und einer spürbaren Begeisterung des Publikums
für das eigene Team. In Deutschland würde der TÜV die steile Tribüne des Ďolíček
schon lange sperren, hier rostet sie in Liga 1 vor sich hin. Herrlich auch der
Querschnitt des Publikums, dass eigentlich fast jede Facette menschlicher
Altersklassen und Subkulturen abdeckt. Unter der Tribüne sitzt noch immer der
alte Opa und verkauft seine Pins und Programmhefte, nebenan spielen die Kinder
zwischen den Bierbänken und paar Meter labt sich der junge Pöbel an Bier und
Gras. Hier ist alles zu finden, von jung bis alt, Männlein und Weiblein, links
bis rechts – letzterer Punkt ist durchaus interessant, denn auch wenn man den
Grün-Weißen immer gerne eine ähnliche Rolle wie St. Pauli zuschreibt (es gibt
ja bekanntermaßen auch einige Verbindungen zwischen den beiden Fanszenen),
sollte man nicht vergessen, dass auch die politisch andere Seite hier zu finden
ist. Das aktuelle Verhältnis scheint sich beruhigt zu haben, nachdem es vor
einigen Jahren auch mal gegeneinander knallte. Die größte Enttäuschung des
Tages ist aber der Verein selbst, der das liebgewordene und bei jedem Besuch
eingeplante Museum im „Bauch“ der Tribüne kurzerhand zum VIP-Raum umgestaltet
hat, sodass ein Zugang ohne Wichtig-Bändchen unmöglich gemacht wird. Das Ďolíček
bleibt trotzdem für mich eines der schönsten Stadien im Lande, auch wenn
dadurch etwas vom Charme verloren geht.
Für Bohemka selbst scheint die eigene Heimat mittlerweile
auch eher zum Fluch zu werden, datiert der letzte Liga-Heimsieg doch vom Juli
2018. Der Fanblock nimmt das Thema dann auch auf und fordert per am Fangnetz
hochgezogener Fahne das Ende der mittlerweile 209 Tage andauernden „Schande“.
Die tief stehende Sonne schmälert zwar das kurze Zeit später folgende Bild
einiger Stroboskope, aber das ging schon in Ordnung, zumal die Tschechen bis
auf Ausnahme von Banik und vielleicht noch Slavia und Sparta eh keine Weltmeister
der Choreos mehr werden, die typische, aber sympathische Planlosigkeit der
Leute auch hier deutlich erkennbaren Einfluss übt. Schade nur, dass die eigene
Elf der Aufforderung nicht nachkommt und auch das Heimspiel gegen Sigma, einen
direkten Konkurrenten im Kampf um die beste Ausgangslage in der seit dieser
Saison auch in Tschechien eingeführten Abstiegsrunde, kläglich verliert. Die
Parallelen zu 2003 sind deutlich erkennbar, mit Fußball hatte das sowohl damals
auch als heute wenig zu tun. Die knapp 40 angereisten Olmützer sind über den
Auswärtssieg natürlich mehr als begeistert, mehr als ein paar „Sigma“-Rufe und
das Präsentieren der „Sigma Hooligans“-Fahne kriegen die aber auch nicht auf
die Reihe. Auch auf die Stimmung auf der Heimseite, die im Laufe des Spiels von
zwei Mädels an der Trommel koordiniert wird, lässt sich vom Geschehen auf dem
Rasen anstecken und reißt keine Bäume aus. Besonderheiten sollte man nicht
erwarten. Zumindest Jungspund Philipp, dessen Horizont altersbedingt noch in
einem engen Korsett steckt, welches stückchenweise aufgerissen wird, nimmt
jeden Gesang auf und beobachtet jedes Detail der Kurve genauestens. Man möchte
fast wieder jung sein, schließlich bockt die alte Garde das Geschehen auf den
Rängen hier auch nicht mehr wirklich. Muss es aber auch nicht unbedingt, die
maximale Zufriedenheit ist durch die allgemeinen Umstände eh erreicht. Und wenn
dann mit dem Abpfiff erst einmal ein Typ draußen direkt vor das Stadion
pinkelt, weißt du auch wieder, wo du bist. Das ist Fußball wie ich ihn mag.
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