Samstag, 16. Februar 2019

16.02.2019: Bohemians Praha 1905 - SK Sigma Olomouc

  • 1. česká fotbalová liga (1.Liga Tschechische Republik)
  • Stadion Ďolíček (Praha)
  • 4.377 Zuschauer
  • 0:1 (0:1)

Auch heute strömen wieder die Massen ins altehrwürdige Ďolíček, zu dem ich eine besondere Beziehung führe, schließlich war das 1932 mit einem Derby gegen Slavia eröffnete Stadion der erste Ground in Tschechien. 2003 gab es damals ein grausiges 0:0 gegen Marila Příbram, später am Abend folgte ein souveräner 2:0-Sieg Spartas gegen Jablonec. Verändert hat sich hier seitdem nicht wirklich was, sieht man vielleicht von der Installation neuer Sitzschalen auf Tribüne, Gegengerade und am Rande der Kurve ab. Ansonsten ist hier immer noch der Charme alter Tage zu spüren, Fußball wie er sein sollte eben, mit ordentlich Gammel, abbröckelndem Putz und einer spürbaren Begeisterung des Publikums für das eigene Team. In Deutschland würde der TÜV die steile Tribüne des Ďolíček schon lange sperren, hier rostet sie in Liga 1 vor sich hin. Herrlich auch der Querschnitt des Publikums, dass eigentlich fast jede Facette menschlicher Altersklassen und Subkulturen abdeckt. Unter der Tribüne sitzt noch immer der alte Opa und verkauft seine Pins und Programmhefte, nebenan spielen die Kinder zwischen den Bierbänken und paar Meter labt sich der junge Pöbel an Bier und Gras. Hier ist alles zu finden, von jung bis alt, Männlein und Weiblein, links bis rechts – letzterer Punkt ist durchaus interessant, denn auch wenn man den Grün-Weißen immer gerne eine ähnliche Rolle wie St. Pauli zuschreibt (es gibt ja bekanntermaßen auch einige Verbindungen zwischen den beiden Fanszenen), sollte man nicht vergessen, dass auch die politisch andere Seite hier zu finden ist. Das aktuelle Verhältnis scheint sich beruhigt zu haben, nachdem es vor einigen Jahren auch mal gegeneinander knallte. Die größte Enttäuschung des Tages ist aber der Verein selbst, der das liebgewordene und bei jedem Besuch eingeplante Museum im „Bauch“ der Tribüne kurzerhand zum VIP-Raum umgestaltet hat, sodass ein Zugang ohne Wichtig-Bändchen unmöglich gemacht wird. Das Ďolíček bleibt trotzdem für mich eines der schönsten Stadien im Lande, auch wenn dadurch etwas vom Charme verloren geht.

Für Bohemka selbst scheint die eigene Heimat mittlerweile auch eher zum Fluch zu werden, datiert der letzte Liga-Heimsieg doch vom Juli 2018. Der Fanblock nimmt das Thema dann auch auf und fordert per am Fangnetz hochgezogener Fahne das Ende der mittlerweile 209 Tage andauernden „Schande“. Die tief stehende Sonne schmälert zwar das kurze Zeit später folgende Bild einiger Stroboskope, aber das ging schon in Ordnung, zumal die Tschechen bis auf Ausnahme von Banik und vielleicht noch Slavia und Sparta eh keine Weltmeister der Choreos mehr werden, die typische, aber sympathische Planlosigkeit der Leute auch hier deutlich erkennbaren Einfluss übt. Schade nur, dass die eigene Elf der Aufforderung nicht nachkommt und auch das Heimspiel gegen Sigma, einen direkten Konkurrenten im Kampf um die beste Ausgangslage in der seit dieser Saison auch in Tschechien eingeführten Abstiegsrunde, kläglich verliert. Die Parallelen zu 2003 sind deutlich erkennbar, mit Fußball hatte das sowohl damals auch als heute wenig zu tun. Die knapp 40 angereisten Olmützer sind über den Auswärtssieg natürlich mehr als begeistert, mehr als ein paar „Sigma“-Rufe und das Präsentieren der „Sigma Hooligans“-Fahne kriegen die aber auch nicht auf die Reihe. Auch auf die Stimmung auf der Heimseite, die im Laufe des Spiels von zwei Mädels an der Trommel koordiniert wird, lässt sich vom Geschehen auf dem Rasen anstecken und reißt keine Bäume aus. Besonderheiten sollte man nicht erwarten. Zumindest Jungspund Philipp, dessen Horizont altersbedingt noch in einem engen Korsett steckt, welches stückchenweise aufgerissen wird, nimmt jeden Gesang auf und beobachtet jedes Detail der Kurve genauestens. Man möchte fast wieder jung sein, schließlich bockt die alte Garde das Geschehen auf den Rängen hier auch nicht mehr wirklich. Muss es aber auch nicht unbedingt, die maximale Zufriedenheit ist durch die allgemeinen Umstände eh erreicht. Und wenn dann mit dem Abpfiff erst einmal ein Typ draußen direkt vor das Stadion pinkelt, weißt du auch wieder, wo du bist. Das ist Fußball wie ich ihn mag. 



 


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